Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt

Apg  2.1

 

Gott liebt wie ein Smaragd grün ist.

 

Auch heute wird uns dieses Wort von Simone Weil durch den Tag begleiten.

Ein Smaragd ist ein leuchtend grün scheinender Stein, ein edler Stein, wertvoll, schön und als Schmuck gesucht. Er wird schon in der Geheimen Offenbarung des Johannes als einer der Edelsteine an den Toren des himmlischen Jerusalem erwähnt, Könige zierten ihre Kronen mit ihm. Wegen der grünen Farbe galt er als Symbol der Fruchtbarkeit, aber auch als Talisman gegen böse Kräfte. Im Symboldenken der christlichen Kirche steht er für Reinheit, Glaube und Unsterblichkeit. Es sind also vielfältige Aspekte und Assoziationen, die mit dem Smaragd verbunden sind. Wichtig für unseren Zusammenhang ist, dass die Farbe Grün und der Smaragd nicht voneinander zu trennen sind genau so wenig  wie Gott und Liebe. Gott ist Liebe, ist Verbundenheit und Schönheit.  Die Kontemplation eröffnet uns einen Zugang zu dieser Wirklichkeit

 

Viele Weisheitsgeschichten auch in der Bibel handeln davon, dass jemand alles verkauft,  um etwas  Wertvolles,  einen  Schatz im Acker  oder einen Edelstein zu erwerben. In der folgenden Geschichte ist es eine Perle:

 

Ein Mann reiste in ein weit entferntes Land, um Geld zu verdienen. Er verdiente sehr viel, er sammelte viele Waren, aber im letzten Augenblick stieß er auf eine Perle. Er machte einen Tausch. Er verkaufte alle Waren und erwarb diese eine Perle. Auf der Heimreise geschah ein Unglück, und das Schiff sank. Aber mit der einen Perle konnte er an die Küste schwimmen und erreichte seine Heimat mit seinem gesamten Schatz. Selbst als das Schiff sank, ging nichts verloren.  

 

Der Mann hatte alles auf eine Karte gesetzt, sich für Eines entschieden. Dieses Eine steht symbolisch für die Wirklichkeit des Smaragdes, für das leuchtende Innere.

 

Die Kontemplation ist einerseits ein Gebet der Sammlung, der Ausrichtung nach innen, der Bewusstseinsvereinheitlichung. Bei der Einübung der Haltung hilft ein Wort, das unaufhörlich innerlich wiederholt wird, also ein Mantra oder auch die Konzentration auf den Atem oder eine Körperstelle. Andererseits oder gleichzeitig ist es auch reines Sein, reines Dasein in jedem Augenblick. Man könnte auch von Sakrament des Augenblicks sprechen, wie z.B. Jean P. Caussade das tat.  

Die Haltung der Kontemplation übt uns darin, dort zu sein, wo wir sind.

Beim Sitzen und Stehen, beim Verneigen, bei der Eutonie, wenn ich mir eine Decke hole, beim Treppensteigen, beim Essen und Trinken, beim Gang zur Toilette.

Gerade das bringt uns in Kontakt mit der Tiefe der Wirklichkeit

Gott tut im Heil´gen alles, was der Heil´ge tut.

Er geht, steht, liegt schläft, wacht, isst , trinkt, hat guten Mut.

(Angelus Silesius)

 

Daher die Aufforderung: 

Achte gut auf diesen Tag,

denn er ist das Leben –

das Leben allen Lebens.

In seinem kurzen Ablauf

liegt alle Wirklichkeit

Und Wahrheit des Daseins.

Die Wonne des Wachsens,

die Größe der Tat,

die Herrlichkeit der Kraft –

 

Denn das Gestern ist nichts als ein Traum

und das Morgen nur eine Vision.

Das Heute jedoch –recht gelebt –

macht jedes Gestern

zu einem Traum voller Glück

und jedes Morgen

zu einer Vision voller Hoffnung.

 

Drum achte gut auf diesen Tag!

 

Unser Heute hier ist dabei noch einmal ein ganz besonderer Tag. Es ist der Tag, an dem wir Abschied nehmen von diesem Haus, das uns über mehr als ein Jahrzehnt mit unserer Übung der Stille aufgenommen und bereichert hat. Zu jeder Jahreszeit waren wir hier. Und so durften wir auf ganz anschauliche Weise erfahren, dass unsere Übung, unser inneres Gebet, eine Übung zu jeder Jahreszeit ist.

Ein Zen Vers sagt es so:

Die Blumen im Frühling – der Mond im Herbst,

Im Sommer die kühle Brise – im Winter der Schnee!

Wenn unnütze Sachen den Geist nicht vernebeln,

ist dies des Menschen glücklichste Jahreszeit.

 

Es ist gerade das Wesen der Kontemplation, dass sie wie die wertvolle Perle, immer bei uns ist – in Stunden der Freude aber auch des Leids, da wo etwas neu beginnt und da, wo es gilt Abschied zu nehmen. Es geht darum  in die Ereignisse des Lebens bewusst einzuschwingen.

 

Bei meinem Zurückblicken auf die Zeit hier auf dem Berg erinnerte ich mich daran, dass mir damals meine Lehrerin Wilma als Aufgabe gestellt hatte, einen Vortrag zum Thema Abschied und Tod zu halten und dass mir  damals dazu dieses  Gedicht von Rilke eingefallen war:

 

Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter dir, wie der Winter, der eben geht.

Denn unter den Wintern ist einer so endlos Winter, dass, überwinternd, dein Herz überhaupt übersteht.

 

Sei immer tot in Eurydike – ,singender steige,

preisender steige zurück in den reinen Bezug.

Hier, unter Schwindenden, sei, im Reich der Neige,

sei ein klingendes Glas, das sich im Klang schon zerschlug.

 

Sei – und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung,

den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung,

dass du sie völlig vollziehst dieses einzige Mal.

 

Zu dem gebrauchten sowohl, wie zum dumpfen und stummen

Vorrat der vollen Natur, den unsäglichen Summen,

zähle dich jubelnd hinzu und vernichte die Zahl.

 

Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter dir, das ist kein Aufruf zur Eile, zum Überholen oder gar zu Gleichgültigkeit gegenüber Abschied, Tod und Vergänglichkeit, keine Einladung zur Verdrängung von dem, was uns unangenehm oder dunkel erscheint. Im Gegenteil. Der Dichter ringt mit der Sprache und deren Bindung an zeitliche Abfolge und Kausalität, die unser Denken und unsere Erfahrung zunächst bestimmen. Dem Abschied voraus sein meint, schon da sein, wenn der Abschied kommt, meint mit ihm rechnen, ihn nicht verpassen und mit ihm gehen, abschiedlich leben, hinabsteigen, um auch wieder hinauf steigen zu können.

Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter dir heißt in der Sprache des Gedichtes überwintern, heißt im Winter sein und gleichzeitig jenseits; heißt den Abschied überleben im Durchleben. Es heißt im Abschied, im Sterben, leben. Und überwinternd übersteht das Herz.

 

Sei allem Abschied voran…

Dieses Wörtchen sei taucht auch in den folgenden Zeilen immer wieder auf:

Hier, unter Schwindenden, sei, im Reich der Neige,

sei ein klingendes Glas, das sich im Klang schon zerschlug.

Sei – und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung,

 

„Sei“ – das klingt wie ein Befehl. Jetzt soll man auch noch in Abschied und Tod etwas sein. Aber das ist es ja gerade. Es gilt nicht etwas zu sein, sondern zu sein. Und das ist nichts, was man durch Anstrengung oder Befolgung von Befehlen erreichen könnte, sondern etwas, was schon immer dem eigenen Wesen zugrunde liegt – das englische Wort für Mensch heißt  human being - nicht human doing. „Sei“, das ist ein ermutigender Zuruf, gerade angesichts von Abschied und Tod sich daran zu erinnern.

 

Sei ein klingendes Glas, das sich im Klang schon zerschlug. Das Glas will keinen Lohn und keine Dauer, der Klang an sich ist genug. Der Klang, der nur möglich ist mit diesem Glas und der doch die Form sprengt, ist genug, weil er alles ist. Jeder Punkt der Schwingung ist die ganze Schwingung, wie uns die nächsten Zeilen verraten:

 

Sei - und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung

den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung.

Anwesend sein, im unwiederbringlich Vergänglichen und die Bewegung mitvollziehen. Das bedeutet nicht nur Freude und Schmerz, es bedeutet auch in der Bewegung des Lebens zu schwingen, die sich als Einatmen und Ausatmen, als Anfang und Ende, als Kommen und Gehen, als Geboren werden und Sterben zeigt.

Heißt leben mitschwingen, so gibt es keinen Tod, denn im Geboren werden und im Sterben schwingen wir mit. Und als tot müsste nicht der gelten, dessen Körper stirbt, sondern derjenige, der meint, sich der Schwingung entziehen zu können. Denn Leben und Sterben sind Ausdruck des Lebens.

 

Was uns bleibt ist das vertrauensvolle Ja. Das Ja zur Wirklichkeit, die liebt, wie ein Smaragd grün ist.

 

Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter

dir, wie der Winter, der eben geht.

Denn unter den Wintern ist einer so endlos Winter,

dass, überwinternd, dein Herz überhaupt übersteht.

 

Sei immer tot in Eurydike – ,singender steige

preisender steige zurück in den reinen Bezug.

Hier, unter Schwindenden, sei, im Reich der Neige,

sei ein klingendes Glas, das sich im Klang schon zerschlug.

 

Sei – und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung,

den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung,

dass du sie völlig vollziehst dieses einzige Mal.

 

Zu dem gebrauchten sowohl, wie zum dumpfen und stummen

Vorrat der vollen Natur, den unsäglichen Summen,

zähle dich jubelnd hinzu und vernichte die Zahl.

 

Gertrud Kieserg